Sonntag, 15. Juni 2008

"Das Puffbuch" nennt Thomas Brussig liebevoll-ironisch seine Reportagen-Sammlung "Berliner Orgie". Die einzelnen Folgen erschienen zuvor in der Boulevardzeitung B.Z., Zitat: "Muß es unbedingt die B.Z. sein? (Nicht unbedingt. Aber die Süddeutsche hat mich nicht gefragt.)"
In den unterhaltsamen Texten beschreibt der Autor die Rotlichtbezirke und Munkellöcher der Bundeshauptstadt und tut dabei etwas, was er schon in "Helden wie wir" bis zur Erschöpfung durchdekliniert hat: Er stellt Männerlenden in den Dienst der Kunst (siehe Foto).
Dabei ist Brussig "vor nix fies", bleibt aber Beobachter, wird nicht zum Mitwirkenden.
Brussigs Sommermärchen 2006 spielt im Berliner Bordell "Artemis", am Abend des Spiels Deutschland gegen Argentinien. "In einem der beiden Pornokinos wird jetzt Fußball gezeigt. (...) Betritt eine Frau das Kino, sehe ich ein reflexhaftes Aufleuchten in ihren Augen - viele Männer, viele Chancen. Das Leuchten erlischt schlagartig, wenn Frau erkennt, womit sie konkurriert."
Fazit: Man liest und entdeckt nichts, was man nicht geahnt hätte.
Festhaltenswert ist allein Brussigs Neuschöpfung "Bordsteinflamingos" - "denn das Rosa ist hier eine oft gezeigte, oft getragene Farbe, von den langen, dünnen Beinen mal abgesehen".
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Samstag, 14. Juni 2008
Es ist nicht leicht für den deutschen Fußballfan an sich, eine holländische Nationalmannschaft gut zu finden und deren Leistungen neidlos anzuerkennen.
Schließlich haben die beiden Fußballnationen eine gemeinsame Geschichte, die nicht immer reibungslos verlaufen ist.
"Schade, Deutschland, alles ist vorbei!" oder einfach "2:1, 2:1, 2:1" sangen die holländischen Fans nach dem Halbfinalsieg bei der Euro 1988. Zwei Jahre mussten wir 13- bis 15-jährigen Grenzer uns dieses Gehäme anhören, bevorzugt im Freibad, gesungen von unseren Badegästen aus Holland. 1990 verstummte die Musik, denn dann kam endlich die Revanche gegen die Po-mit-Trikot-Abwischer und Rudi-Völler-Bespucker (2:1!!!).
Heute aber spielt eine neue Generation von Holländern, darunter viele Bundesliga-Stars. Neben dem begeisternden Hurra-Fußball (Stürmer statt Mauern!) haben die Oranje-Jungs auch noch Herz - zumindest für ihre eigenen Kinder, die sie nach dem Spiel gegen Frankreich sofort aufs Feld holten.
Eine Bonnerin erzählte am Montag vor der EM in der Straßenbahn, wie sie wegen ihres schönen Retro-Oranje-Shirts in der Innenstadt angefeindet worden sei. Ob ihr das heute auch noch passieren würde?
Falls doch, so möge sich der Bewunderer holländischer Offensiv-Fußballkunst mit einem deutschen Sprichwort trösten: "Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung."
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Freitag, 13. Juni 2008
Nach der 1:2-Niederlage gegen Kroatien wird es Zeit, dem Spielball "Europass" die Schuld zuzuschieben. Schließlich hat nicht nur Jens Lehmann die Flugkurve des neuen Balls bemängelt, sondern auch DFB-Torwarttrainer Andi Köpke und einige andere Hüterli des Turniers. Man könnte ja auch mal Nikopolidis fragen...
Oder Toni Schumacher. Wie jüngst die FAZ am Sonntag (8.6.2008) berichtete, hat der "Tünn" den Europass für die TV-Kameras ausprobiert und sich dabei den Ringfinger ausgekugelt. Zitat FAZ: "Der Ehering musste aufgesägt werden."
Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass der Torwart den undankbarsten Job auf dem Fußballfeld hat, wie auch Autor Jochen Schmidt in "Triumphgemüse" vermutet:
"Zwischen den seltenen Gelegenheiten, sich auszuzeichnen, bleibt dem Torwart viel Zeit, darüber nachzudenken, warum er Torwart geworden ist. Mißmutig blinzelt er in die Sonne und fragt sich, ob es das war, was er sich einmal unter seiner Zukunft vorgestellt hatte."
Wohl kaum. Jens, ich halte zu dir!
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