Mittwoch, 18. September 2013
Maya Dähne schreibt über ihren täglichen Wahnsinn zwischen Kindergarten und Karriere

Muttitasking mit ein bisschen Haushalt ist schwerer, als frau denkt. Die Mutti von heute versucht, eine erfolgreiche Familienmanagerin zu sein, nette, begabte Kinder großzuziehen, ihren Mann glücklich zu machen, in einem spannenden Job Dinge zu bewegen und eigenes Geld zu verdienen. Nebenher treibt sie Sport, liest wichtige Bücher, geht ins Kino oder ins Theater und ist dabei stets schlank, faltenfrei, gut gelaunt und entspannt.
Die Journalistin Maya Dähne hat den Alltag von berufstätigen Familienmanagerinnen miterlebt und darüber jetzt ein kluges und stellenweise sehr witziges Buch geschrieben. „Deutschland sucht den Krippenplatz“ lautet der Titel, wobei es um viel mehr geht als nur die Suche nach einem geeigneten Kita-Platz. Es geht auch um eine Systemfrage und um die Frage der Einstellung eines Landes und seiner Gesellschaft zu den Kindern.

Kinder als Kostenfaktor

Maya Dähne, die in den USA gelebt und gearbeitet hat, wundert sich bei ihrer Ankunft mit Mann und zwei Kindern in Deutschland, dass der Staat hier zwar weitaus mehr für Familien bezahlt als in den Vereinigten Staaten, dass aber umgekehrt Familien und Kinder weitaus weniger geschätzt werden als in anderen Ländern. „Vielleicht geht es am Ende doch nicht nur ums Geld und um die Rundum-sorglos-Kinderbetreuung“, meint die Autorin. „Vielleicht geht es darum, Kinder nicht als Kostenfaktor und Karrierehindernis zu sehen, sondern als das, was sie sind: Zukunft.“
Die Autorin kritisiert, dass sich Vater, Mutter und Kind ständig nach marktwirtschaftlichen Bedürfnissen, Fristen, Terminen und Stichtagen richten müssen. Sie wünscht sich – wie 73 Prozent der Väter und Mütter – mehr arbeitsfreie Zeit für die Familie. Doch wenn eine Frau Karriere machen möchte, gibt sie bei Bewerbungen am besten gar nicht an, dass sie Kinder hat. Und sie arbeitet am besten Vollzeit – auf Kosten der Familie.

Im „Niedrig-Fertilitäts-Land“

Die Autorin nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das „Niedrig-Fertilitäts-Land“ Deutschland. Es gibt einfach zu wenig Nachwuchs, obwohl die finanziellen Bedingungen für Familien schlechter sein könnten, sagt Maya Dähne. Doch vielleicht ist da ein Fehler im System? Die Autorin schildert ihre persönliche Kitastrophe: Solange sie einen Teilzeitplatz für ihr Kind sucht, hagelt es beim Kindergarten-Casting nur Absagen. Als sie umschwenkt und einen Ganztagsplatz beantragt, geht es dann ganz schnell. Der Weg in eine Berliner Elterninitiative ist frei – doch das erfordert auch die Bereitschaft, bei der Kinderbetreuung oder beim Putzen auszuhelfen.
Maya Dähne lässt auch andere Menschen in Gastartikeln zu Wort kommen: den finanziell völlig überlasteten Vater von Vierlingen, die motivierte Leih-Oma, die für abwesende Großeltern einspringt, sowie die Kindergartenleiterin, die nach 20 Jahren feststellt, wie sehr sich ihr Traumberuf verändert hat. Damals war der Kindergarten von 8.30 bis 11.30 Uhr geöffnet, die Gruppe für zwei Erzieherinnen umfasste 27 Kinder ab vier Jahren. Heute betreuen zwölf Erzieherinnen 60 Kinder im Alter von eins bis sechs – und zwar 45 Stunden pro Woche. Und: Die Kita-Leiterin hat festgestellt, dass viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder vollkommen überfordert sind.

Ausbruch aus der Arbeitswelt

Maya Dähne dagegen nennt sich augenzwinkernd Meisterin des Muttitasking. „Frauen, die Kinder bekommen und Karriere gemacht haben, sind entweder Übermenschen oder selbständig oder reich.“ Alle anderen müssen sich abstrampeln, um arbeiten zu können, natürlich schlechter bezahlt und mit weniger Karriereaussichten. „Der ideale Arbeitnehmer ist eben meistens Mann, manchmal auch Frau, aber nie Mutter.“ Deshalb fragt die Autorin zu Recht: „Warum unterwerfen wir Familien uns eigentlich sklavisch dem durchgetakteten Stundenplan, den uns die Arbeitswelt vorgibt?“ Ja genau, warum tun wir das eigentlich? Sascha Stienen

Maya Dähne, Deutschland sucht den Krippenplatz. Mein täglicher Wahnsinn zwischen Kita und Karriere, Beltz Verlag, 171 Seiten, 14,95 Euro
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