Donnerstag, 17. Oktober 2013
Geduld ist die Kunst, warten zu können. Aber können wir das heutzutage überhaupt noch in einer Welt der Handys und Smartphones und ihrem ständigen Kommunikations- und Spielangebot? Der Reiz ist groß, das Gerät in jeder Wartepause aus der Tasche zu nehmen, um zu chatten, zu twittern, zu filmen oder zum 15. Mal in einer Viertelstunde die E-Mails zu checken.
War das noch schön, als es noch Wartepausen gab, die nicht mit Medien, sondern mit Kreativität gefüllt werden konnten! Räume dafür gab und gibt es genug: die Bushaltestellen, das Straßenverkehrsamt oder das Wartezimmer beim Arzt. Wie wundervoll, in diesen Pausenräumen einfach mal nichts zu tun und die Gedanken schweifen zu lassen.
Doch heute: Schwups, schon wieder ist das Handy raus! Dabei haben wir doch ganz tolle Gelegenheiten, das Warten und damit auch die Vorfreude auf das da Kommende zu genießen. Die Deutsche Bahn etwa ist die erfolgreichste Bundeswartelerneinrichtung, die es gibt. Gutes Training bietet auch die Warteschlange bei der Haribo-Kastanientauschaktion (Stichwort: Wild- gegen Kinderfutter). Oder lassen Sie doch einfach mal Ihre Briefe oder Bestellungen tagelang ungeöffnet liegen. Das wirkt.
Fakt ist: Wer nicht bewusst wartet, der freut sich auch weniger auf das Eintreffen des Erwarteten. Das ist beim Bekämpfen von Dornwarzen so, aber auch beim Warten auf eine Baugenehmigung oder auf den Nikolaus. Letzterer kommt übrigens auf jeden Fall pünktlich. Nur Geduld! Sascha Stienen

(Am 15. Oktober 2013 erschienen im Bonner General-Anzeiger.)
0 Kommentare »
Mittwoch, 9. Oktober 2013
Unterhaltsam und klug: Walter Schmidt erklärt die Rätsel der räumlichen Psychologie


Erfolg nach persönlicher Anstrengung: Den Gipfel zu stürmen, das macht uns richtig glücklich.

Von Sascha Stienen

Der Bonner Autor und Wissenschaftsjournalist Walter Schmidt hat ein bemerkenswertes Buch über räumliche Psychologie vorgelegt. „Warum Männer nicht nebeneinander pinkeln wollen“, lautet der Titel dieses unterhaltsamen und klugen Sachbuches. Man merkt jedem Satz die Freude an, mit der sich der Autor seinem Thema gewidmet hat.
„Wann immer wir uns einen Lebensraum aneignen, geschieht das nicht zufällig am ausgewählten Ort“, schreibt der studierte Geograph. „Wir bewegen uns dorthin, wo wir uns behaglich fühlen, und meiden Orte der Gefahr und des Unwohlseins, wie übrigens Tiere auch.“ Das Erbe unserer Vorfahren, der Steinzeitmenschen, steckt uns noch gehörig in den Knochen, meint Schmidt. „Und wohl oder wehe auch im Gehirn.“


Das Buch zeigt: Jeder Tag ist voll von raumpsychologischen Entscheidungen, die wir treffen müssen. Das zeigt der Autor in einer Reihe von Kapiteln, die alle irgendwie mit Raum, Räumen, Orten und Ortswechseln zu tun haben: „Wie wir unser Revier verteidigen“ zeigt, warum Menschen mit zu großer Nähe manchmal ihre Schwierigkeiten haben und sich ab und zu abgrenzen müssen. Walter Schmidt erläutert, warum wir hoch und nicht runter zum Chef müssen und warum der Boss immer so schwer zu erreichen ist.

Männer gehen stets voran

Ebenso spannend das Kapitel über die Orientierung: „Wie wir uns zurechtfinden“ veranschaulicht etwa, warum Männer stets vorangehen und wir in Kirchen schleichen und flüstern. Gefahren begegnen wir mit geschickten Orts- oder Richtungswechseln: Wir machen um Bettler einen Bogen und verkriechen und zu Hause, wenn wir krank sind. Schmidt erklärt, warum das so ist.
Beim Streifzug durch die Welt der raumpsychologischen Phänomene erfährt der Leser, warum die Wand im Rücken eine beruhigende Wirkung hat und er deshalb im Restaurant einen Platz wählen wird, von dem er einen geschützten Ausblick auf die Umgebung hat. Klar wird dank der Lektüre auch, warum Menschen so gerne auf Gipfel stürmen: Der Berg ruft uns immer wieder, weil es uns großes Wohlbehagen verursacht, aus eigener Kraft und unter Schmerzen nach oben zu kommen. Dort oben genießen wir neben dem weiten Blick die Distanz zum Alltag und den Problemen und Nöten des Lebens im Tal.

Geldverdienen mit Warteschlangen

Schmidts Freude an der Materie weckt immer wieder seine Fabulierlust, zum Beispiel wenn im Abschnitt über den Stau das Fahrzeug zum Stehzeug mutiert. Dabei müssten die Menschen doch nur vorausschauend fahren und einen Abstandsraum halten, um sich derlei zu ersparen. Den Menschen nervt es, Zeit zu verschwenden, weshalb sich laut Schmidt mit der Langeweile der Menschen in Warteschlangen gutes Geld verdienen lässt.

Gesunde Distanz

Der Autor gibt dem Leser eine Reihe nützlicher Ratschläge mit auf den Weg, ohne dabei belehrend zu wirken. So ist es manchmal besser für die Gesundheit, Distanz zu wahren und sich abgrenzen – vor allem in Räumen mit niedrigen Decken. Und vor dem Verlassen eines Raumes sollte eine Idee sofort aufgeschrieben werden, weil das Arbeitsgedächtnis beim Raumwechsel bereinigt wird. Als passionierter Wanderer hält es Schmidt übrigens mit Montaigne, der dem Denken die Bewegung voraussetzt: „Mein Geist rührt sich nicht, wenn meine Beine ihn nicht bewegen.“ Schmidts Buch bewegt den Geist auch.

Info: Walter Schmidt, Warum Männer nicht nebeneinander pinkeln wollen. Und andere Rätsel der räumlichen Psychologie, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 256 Seiten, 8,99 Euro
0 Kommentare »
Montag, 7. Oktober 2013
Manchmal möchte ich nur noch laut schreien und den Computer aus dem Fenster werfen. Nämlich dann, wenn wieder eines dieser neunmalklugen Programme eigenmächtig ein Problem festgestellt hat und sich selbst beendet. Zur Erinnerung: Wir haben die Technik erfunden, damit sie uns das Leben erleichtert, nicht damit sie ihre Probleme zu unseren macht.
Doch keine Chance, der PC redet mich immer wieder unentwegt in seiner Fachsprache an: „Ein Skript auf dieser Seite ist eventuell beschäftigt, oder es antwortet nicht mehr. Sie können das Skript jetzt stoppen oder fortsetzen, um zu sehen, ob das Skript fertig wird.“ Wie bitte?
Ein anderes der lieben kleinen Programme teilt unverfroren mit: „Falls Sie Ihre Arbeit noch nicht gespeichert hatten, können Daten möglicherweise verloren gegangen sein.“ Da kriegt man doch die Wut und möchte das Programm der verloren gegangenen Arbeit packen und zerschmettern. Doch es ergänzt frech: „Für weitere Informationen zu diesem Fehler klicken Sie hier.“ Mache ich natürlich nicht, denn schließlich ist das mein Rechner und kein VHS-Kurs.
Heute ist also ein Schwerer Ausnahme-Tag. Was man dagegen tun kann? Der Rechner rät: „Sollte das Problem weiterhin auftreten, wenden Sie sich bitte an Ihren Systemadministrator. Oder versuchen Sie es später noch einmal.“ Ich rate: Ausschalten und rausgehen. Sascha Stienen

(Heute erschienen im Bonner General-Anzeiger.)
0 Kommentare »