Donnerstag, 29. November 2012
29. November 2012
Um das Leben zu entschleunigen, sollte man sich kleine Oasen der Ruhe über die Woche verteilen. Ein Besuch beim Friseur ist so eine geplante Geschwindigkeitsreduzierung. Dort gehen die Uhren zwar nicht langsamer als sonst, aber die Qualität der gefühlten Zeit ist größer.
Pünktlich um 9.45 Uhr betrete ich das Ladenlokal. Aber noch ist eine andere Kundin vor mir. Endlich Zeit für ein Fachmagazin, das seit drei Wochen ungelesen zu Hause lag. Dazu ein Kaffee gratis. Und während die Morgensonne angenehm warm durch die Scheibe fällt, lausche ich dem Gespräch der Kundin vor mir mit dem Friseur.
In Spanien, sagt sie, seien die Menschen viel entspannter. Wenn sich zwei begegnen, redeten sie erst einmal ausgiebig, egal ob einer zur Arbeit muss oder nicht. Sozial gehe dort vor pünktlich. Und Nahrungsaufnahme im Stehen oder Gehen - wie im Fast-Food-Land Deutschland - sei für den gemeinen Spanier undenkbar. Als Anhänger der "Langsamer Leben"-Bewegung höre ich das natürlich gern und wünsche mir mehr iberische Anteile ins Tagesgeschehen.
Nach dem Haarewaschen steht die innere Uhr vollends auf Entspannung. Der neue Schnitt entsteht Stück für Stück. Ich muss nur sitzen und stillhalten. Eineinviertel Stunden später verlasse ich wehmütig die kleine Oase der Ruhe im hektischen Alltag. Ich gehe in dem Bewusstsein, dass Haareschneiden keine schnöde Dienstleistung, sondern eine kulturelle und soziale Praxis ist - und sich heute irgendwie spanisch anfühlt. Sascha Stienen
(Erschienen im Bonner General-Anzeiger am 19.11.2012.)
Pünktlich um 9.45 Uhr betrete ich das Ladenlokal. Aber noch ist eine andere Kundin vor mir. Endlich Zeit für ein Fachmagazin, das seit drei Wochen ungelesen zu Hause lag. Dazu ein Kaffee gratis. Und während die Morgensonne angenehm warm durch die Scheibe fällt, lausche ich dem Gespräch der Kundin vor mir mit dem Friseur.
In Spanien, sagt sie, seien die Menschen viel entspannter. Wenn sich zwei begegnen, redeten sie erst einmal ausgiebig, egal ob einer zur Arbeit muss oder nicht. Sozial gehe dort vor pünktlich. Und Nahrungsaufnahme im Stehen oder Gehen - wie im Fast-Food-Land Deutschland - sei für den gemeinen Spanier undenkbar. Als Anhänger der "Langsamer Leben"-Bewegung höre ich das natürlich gern und wünsche mir mehr iberische Anteile ins Tagesgeschehen.
Nach dem Haarewaschen steht die innere Uhr vollends auf Entspannung. Der neue Schnitt entsteht Stück für Stück. Ich muss nur sitzen und stillhalten. Eineinviertel Stunden später verlasse ich wehmütig die kleine Oase der Ruhe im hektischen Alltag. Ich gehe in dem Bewusstsein, dass Haareschneiden keine schnöde Dienstleistung, sondern eine kulturelle und soziale Praxis ist - und sich heute irgendwie spanisch anfühlt. Sascha Stienen
(Erschienen im Bonner General-Anzeiger am 19.11.2012.)
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