Montag, 31. Oktober 2011
31. Oktober 2011
"Hast du deinen Arm schon mal in einer Kuh gehabt?" Mit so einem ersten Satz fangen wir Journalisten den Leser, sagt Sprachpapst Wolf Schneider in seinem Buch "Deutsch für junge Profis". Sein neues Rezeptbuch für geschmack- und gehaltvolles Schreiben beruhigt den Profi, denn Schreiben, sagt Altmeister Schneider, ist ein Handwerk. Den Journalisten muss also nicht täglich die Muse küssen, er muss nur ein paar Regeln beachten.
Zum Beispiel eben die des ersten Satzes. Oder die des pars pro toto: Wer einen Bruchteil sagt und dabei das Ganze meint, erzielt mehr Anschaulichkeit. Schneiders schönes Beispiel stammt von Sarkozy. Der sagte zum Abschied von der EU-Ratspräsidentschaft: "Ich habe keine Lust mehr, bis 4 Uhr morgens über drei Erdnüsse zu verhandeln."
Lasst Verben tanzen!
Da weiß dann jeder, was gemeint ist. Die Kapitelüberschriften des Buches sagen sehr schön aus, was der Schreiber darin lernt: "Mit Silben geizen: Yes, we can!", "Lasst Verben tanzen!" und "Mit Adjektiven knausern". Meine Lieblingskapitel sind "Im Hauptsatz ist die Kraft", "Sätze wie Pfeile" und "Mit Kommas Musik machen". Die am besten immer wieder lesen.
Was also braucht ein guter Text, Herr Schneider? "Überraschung, Feuer, konkrete Wörter, schlanke Sätze." Und Walter Muschg wird mit dem schönen Satz zitiert: "Wer im Orkan gehört werden will, muss sich kurz fassen." Das gilt natürlich auch für E-Mails und Bewerbungsschreiben.
Originalität sucht der gute Journalist weniger in Satzbau und Wortwahl als vielmehr im richtigen Einfall, sagt Schneider und empfiehlt uns Vorbilder wie Goethe, Heine, Kafka, Luther und Brecht. Letzterer schrieb den wunderbaren Satz: "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!"
Wolf Schneider hat wieder mal Recht: "Nur wer sie (Anm. d. Autors: die Sprache) umarmt, kann ihr schöne Kinder machen."
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