Donnerstag, 16. April 2009
16. April 2009
Wer sich die am Kaiser-Karl-Ring geparkten Autos ansieht, entwickelt bald folgende Regel: „Zeig mir dein Armaturenbrett, und ich sage dir, wer du bist.“ Die Ablage unter der Windschutzscheibe eignet sich nämlich offenbar bestens zur Selbstinszenierung. Denn jenseits von Massenware wie dem Wackeldackel und dem Schlacker-Elvis gibt es besondere Auto-Maskottchen, die so individuell sind, dass sie Einstellungen und Vorlieben ihres Besitzers zu verraten scheinen.
Da liegen in einem Wagen indianische Federn, die Weltoffenheit und Toleranz signalisieren könnten. Ein Auto weiter inszeniert eine akkurat zur Schau gestellte Lesebrille den Halter als bibliophilen Intellektuellen. Die elegante Ballerina nebenan scheint der Glücksbringer einer erfolgreichen Tänzerin zu sein. Und der schmutzige Mainzelmann auf der Kabine eines Kastenwagens könnte für einen fröhlichen Malocher stehen.
Gegen die Armaturentierchen verliert jedes langweilige Rückspiegelgehänge seinen Reiz. Der letzte Wagen in der Schlange ist sogar beinahe furchteinflößend: Dort begegnen sich über dem Tacho eine schwarze Ratte und ein weißer Hai. Unsere Eingangsregel lautete: „Zeig mir dein Armaturenbrett, und ich sage dir, wer du bist.“ Manchmal möchte man das auch gar nicht so genau wissen.
Sascha Stienen
(Erschienen im General-Anzeiger am 14.4.2009)
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