Freitag, 6. Juni 2008
6. Juni 2008
BONN. Während der Countdown zur Fußball-EM läuft, wird der Einkauf für Fans zum zweifelhaften Erlebnis. Beim Gang durch die Geschäfte wundert sich der Fußballfreund, wie viele und was für fußballferne Produkte mit der Europameisterschaft zu tun haben wollen. Unübersehbar haben die Unternehmen ihre Marketing-Maschinerie angeworfen, um auch ein Stück vom großen EM-Kuchen zu bekommen.
Sage und schreibe 1,25 Milliarden Euro will die Europäische Fußballunion (UEFA) mit der Organisation der Euro 2008 einnehmen, allein 377 Millionen Euro durch Sponsoring- und Lizenzverträge. Dabei gibt es nur 18 offizielle Sponsoren wie Coca Cola, McDonald’s, Hyundai oder JVC. Andere Unternehmen wollen von dem Großereignis profitieren, ohne UEFA-Sponsor zu sein. Solange die „Trittbrettfahrer“ dabei nicht die Marken der UEFA verwenden, ist diese Form des Guerilla- oder Anlassmarketings zwar legal. Mitunter sind die Verbindungen, die Marketingabteilungen zwischen ihren Produkten und dem Fußball herstellen, aber nicht immer ganz nachvollziehbar. Manchmal sind sie sogar peinlich.
Beispiel Supermarkt: Am Ende einer Batterie von Ferrero-Produkten in Nationalmannschafts-Schwarz-Weiß stehen riesige Nutella-Gläser im DFB-Trikot. Auf dem Schokoriegel Snickers wird mit dem unsportlichen Stefan-Raab-Zögling Elton für die Internet-Aktion „Allemann“ geworben. Und der Salathersteller Homann preist seinen „Europameister-Kartoffelsalat“ an – als ob jemand nach dem Verzehr dieses Kalorienbömbchens noch in der Lage wäre, auch nur einen Ball geradeaus zu treten, geschweige denn die Vorrunde zu überstehen. Die Firma De Beukelaer will das Warten auf die Euro 2008 mit Prinzenrolle-Doppelkeksen im Fußballdesign verkürzen. Damit das Kekse-Essen nicht zu langweilig wird, kann der geneigte Fan bei einem Gewinnspiel mitmachen, dessen Schirmherr "Prinz Poldi" ist. Lukas Podolskis Konterfei und Autogramm sind auf der Packung zu finden, und wer beim Gewinnspiel mitmacht, könne auf "einen exklusiven Tag mit Poldi und weitere tolle Fanpreise" hoffen.
Weiter geht’s im Getränkemarkt, denn: Bier und Fußball – das gehört zusammen. Guckt man sich die Angebote der Brauereien an, dann muss man denken: Biertrinken und Dummheit gehören zusammen. Da preist Warsteiner sein Fünf-Liter-Fässchen mit EM-Flagge an: „gleich mitnehmen – nur für kurze Zeit“. Kostenpunkt: 8,99 Euro – macht 1,79 Euro pro Liter für selbst gezapftes schales Pils aus der Blechdose. Der Liter Flaschenbier der gleichen Marke kostet 1,50 Euro. Aber warum auf Warsteiner rumhacken, kostet das Fünfer-Döschen Gaffel doch gleich 9,99 Euro, also rund 2 Euro pro Liter. Dafür gibt’s nicht mal ne Fahne, sondern nur einen aufgedruckten Fußball. Ihre „EM-Promotion“ stellte die Kölner Privatbrauerei kürzlich allen Ernstes im Rahmen einer Pressekonferenz vor; Überschrift der Pressemitteilung: „Lothar Matthäus und Stefan Kießling stoßen mit Gaffel-Kölsch auf die Europameisterschaft an“. Dann doch lieber kästenweise Bier für Bolzplätze oder den Regenwald trinken.
Beispiel Plakatwerbung: Egal wo der Fußballfreund mit seinem bereits beflaggten Fan-Auto hinkommt: Überall grinst ihm Oliver Bierhoff von einer Postbank-Plakatwand an. Die Postbank ist zwar kein offizieller UEFA-Sponsor, aber immerhin „offizieller Premium-Partner der deutschen Fußballnationalmannschaft“. Der Fan grübelt: Warum eigentlich Premium, würde Partner nicht reichen? Egal: An der Aral-Tankstelle gibt es UEFA-Tickets und „Millionen Sofortgewinne“ zu gewinnen sowie Fußbälle und Fußballtörchen im Tausch gegen Payback-Punkte. Nur dass die Törchen immer gerade aus sind, wenn man mal eins haben möchte. In der Zeitung liegen Beilagen, die auf Fußballaktionswochen beim Elektroanbieter Expert hinweisen, auf die „Büro-Meisterschaft 2008“ von Staples und die „Top-Angebote“ mit „Preisvorteil zur EM“ des Möbelhändlers Porta. Dort gibt es den nach Fußballkaiser Beckenbauer benannten Kickertisch „Franz“ für nur 129 statt 199 Euro. „Sie sparen 70 Euro.“
Super, denn für 70 Euro kann man im Drogeriemarkt eine Menge EM-Produkte einkaufen, zum Beispiel die Elfer-Packungen Billy Boy-Kondome (10+1). Im Drogeriemarkt gibt es auch „duschdas“ in der Fußball-Edition 2008 „Fanmeile“ – mit „sportlich frischem Duft“. Die Texter in der zuständigen Werbeagentur müssen bei der Arbeit Tränen gelacht haben, Zitat: „Tauchen Sie ein in die Welt des Fußballs. duschdas-Fanmeile mit sportlich frischem Duft belebt die Sinne und die Leidenschaft für Fußball schon unter der Dusche.“ Wie bitte?
Zum Glück erscheinen aber auch sinnvolle Fußballprodukte im Vorfeld der EM. In der Bonner Bahnhofsbuchhandlung stößt der Fan auf die feine Diogenes-Anthologie „Früher waren mehr Tore“ mit Texten der literarischen Ballzauberer Nick Hornby, Maxim Biller, Vladimir Nabokov, Friedrich Dürrenmatt und Loriot. Bücher wie dieses verschönern den EM-Countdown, vielleicht weil sie sich mit der schönsten Nebensache der Welt selbst befassen – und nicht nur mit dem Zubehör. (sas)
Sage und schreibe 1,25 Milliarden Euro will die Europäische Fußballunion (UEFA) mit der Organisation der Euro 2008 einnehmen, allein 377 Millionen Euro durch Sponsoring- und Lizenzverträge. Dabei gibt es nur 18 offizielle Sponsoren wie Coca Cola, McDonald’s, Hyundai oder JVC. Andere Unternehmen wollen von dem Großereignis profitieren, ohne UEFA-Sponsor zu sein. Solange die „Trittbrettfahrer“ dabei nicht die Marken der UEFA verwenden, ist diese Form des Guerilla- oder Anlassmarketings zwar legal. Mitunter sind die Verbindungen, die Marketingabteilungen zwischen ihren Produkten und dem Fußball herstellen, aber nicht immer ganz nachvollziehbar. Manchmal sind sie sogar peinlich.
Beispiel Supermarkt: Am Ende einer Batterie von Ferrero-Produkten in Nationalmannschafts-Schwarz-Weiß stehen riesige Nutella-Gläser im DFB-Trikot. Auf dem Schokoriegel Snickers wird mit dem unsportlichen Stefan-Raab-Zögling Elton für die Internet-Aktion „Allemann“ geworben. Und der Salathersteller Homann preist seinen „Europameister-Kartoffelsalat“ an – als ob jemand nach dem Verzehr dieses Kalorienbömbchens noch in der Lage wäre, auch nur einen Ball geradeaus zu treten, geschweige denn die Vorrunde zu überstehen. Die Firma De Beukelaer will das Warten auf die Euro 2008 mit Prinzenrolle-Doppelkeksen im Fußballdesign verkürzen. Damit das Kekse-Essen nicht zu langweilig wird, kann der geneigte Fan bei einem Gewinnspiel mitmachen, dessen Schirmherr "Prinz Poldi" ist. Lukas Podolskis Konterfei und Autogramm sind auf der Packung zu finden, und wer beim Gewinnspiel mitmacht, könne auf "einen exklusiven Tag mit Poldi und weitere tolle Fanpreise" hoffen.
Weiter geht’s im Getränkemarkt, denn: Bier und Fußball – das gehört zusammen. Guckt man sich die Angebote der Brauereien an, dann muss man denken: Biertrinken und Dummheit gehören zusammen. Da preist Warsteiner sein Fünf-Liter-Fässchen mit EM-Flagge an: „gleich mitnehmen – nur für kurze Zeit“. Kostenpunkt: 8,99 Euro – macht 1,79 Euro pro Liter für selbst gezapftes schales Pils aus der Blechdose. Der Liter Flaschenbier der gleichen Marke kostet 1,50 Euro. Aber warum auf Warsteiner rumhacken, kostet das Fünfer-Döschen Gaffel doch gleich 9,99 Euro, also rund 2 Euro pro Liter. Dafür gibt’s nicht mal ne Fahne, sondern nur einen aufgedruckten Fußball. Ihre „EM-Promotion“ stellte die Kölner Privatbrauerei kürzlich allen Ernstes im Rahmen einer Pressekonferenz vor; Überschrift der Pressemitteilung: „Lothar Matthäus und Stefan Kießling stoßen mit Gaffel-Kölsch auf die Europameisterschaft an“. Dann doch lieber kästenweise Bier für Bolzplätze oder den Regenwald trinken.
Beispiel Plakatwerbung: Egal wo der Fußballfreund mit seinem bereits beflaggten Fan-Auto hinkommt: Überall grinst ihm Oliver Bierhoff von einer Postbank-Plakatwand an. Die Postbank ist zwar kein offizieller UEFA-Sponsor, aber immerhin „offizieller Premium-Partner der deutschen Fußballnationalmannschaft“. Der Fan grübelt: Warum eigentlich Premium, würde Partner nicht reichen? Egal: An der Aral-Tankstelle gibt es UEFA-Tickets und „Millionen Sofortgewinne“ zu gewinnen sowie Fußbälle und Fußballtörchen im Tausch gegen Payback-Punkte. Nur dass die Törchen immer gerade aus sind, wenn man mal eins haben möchte. In der Zeitung liegen Beilagen, die auf Fußballaktionswochen beim Elektroanbieter Expert hinweisen, auf die „Büro-Meisterschaft 2008“ von Staples und die „Top-Angebote“ mit „Preisvorteil zur EM“ des Möbelhändlers Porta. Dort gibt es den nach Fußballkaiser Beckenbauer benannten Kickertisch „Franz“ für nur 129 statt 199 Euro. „Sie sparen 70 Euro.“
Super, denn für 70 Euro kann man im Drogeriemarkt eine Menge EM-Produkte einkaufen, zum Beispiel die Elfer-Packungen Billy Boy-Kondome (10+1). Im Drogeriemarkt gibt es auch „duschdas“ in der Fußball-Edition 2008 „Fanmeile“ – mit „sportlich frischem Duft“. Die Texter in der zuständigen Werbeagentur müssen bei der Arbeit Tränen gelacht haben, Zitat: „Tauchen Sie ein in die Welt des Fußballs. duschdas-Fanmeile mit sportlich frischem Duft belebt die Sinne und die Leidenschaft für Fußball schon unter der Dusche.“ Wie bitte?
Zum Glück erscheinen aber auch sinnvolle Fußballprodukte im Vorfeld der EM. In der Bonner Bahnhofsbuchhandlung stößt der Fan auf die feine Diogenes-Anthologie „Früher waren mehr Tore“ mit Texten der literarischen Ballzauberer Nick Hornby, Maxim Biller, Vladimir Nabokov, Friedrich Dürrenmatt und Loriot. Bücher wie dieses verschönern den EM-Countdown, vielleicht weil sie sich mit der schönsten Nebensache der Welt selbst befassen – und nicht nur mit dem Zubehör. (sas)
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